Einspruch gegen überhöhte Steuer-Strafzinsen!

Niedrigzins-Phase? Nullzins-Politik? Von wegen: Die deutschen Finanzämter halten unverdrossen an einer saftigen Verzinsung von Steuernachzahlungen fest. Rechtsgrundlage ist nach wie vor § 238 der Abgabenordnung. Zur Höhe und Berechnung der Zinsen heißt es dort: „Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent.“ Macht unterm Strich stolze 6 % p.a.
Im vergangenen Jahr hatte der Bundesfinanzhof endlich ein Einsehen: Angesichts der langfristig großen Differenz zwischen Marktzinsen und Zinsforderungen der Finanzämter äußerten BFH-Richter mehrfach ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Zinshöhe (z. B. in den Urteilen vom 25. April 2018, Az.: IX B 21/18 und vom 3. September 2018, Az.: VIII B 15/18).
Daran ändern auch die zum Teil noch deutlich höheren Dispositions- und Überziehungszinsen von Geschäftsbanken und Sparkassen nichts: Aus Sicht der Richter handelt es sich dabei nicht um „geeignete Referenzwerte für ein realitätsgerechtes Leitbild“ für die Verzinsung steuerlicher Nachzahlungen. Nun muss das Bundesverfassungsgericht über zwei Verfassungsbeschwerden entscheiden: Die Beschwerdeführer sehen durch die realitätsferne Zins-Bemessung den allgemeinen Gleichheitssatz verletzt.
Fiskus: „Ja, aber ...“
Mit dem Schreiben vom 14. Dezember 2018 hat das Bundesfinanzministerium auf die Entwicklung reagiert: Für Verzinsungszeiträume ab dem 1. April 2012 kann demnach die „Vollziehung von Zinsfestsetzungen“ bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausgesetzt werden. Für welche Steuerart und welchen Besteuerungszeitraum die Zinsen festgesetzt wurden, spielt dabei keine Rolle. Die Verzinsung („Zinslauf“) beginnt grundsätzlich 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist.
Wichtig: Das Zins-Moratorium gilt nicht für alle Steuerpflichtigen. Voraussetzung ist, dass der Zinsschuldner Einspruch gegen die Festsetzung überhöhter Nachzahlungszinsen einlegt und die Aussetzung der Vollziehung nach § 361 Abs. 2 Satz 2 AO beantragt!
Unbedingt Einspruch einlegen!
Wenn Sie einen Finanzamts-Bescheid über Steuernachzahlungen bekommen, sollten Sie daher unbedingt Einspruch einlegen und die Aussetzung der Vollziehung beantragen. Das kann formlos geschehen – zum Beispiel so:
Einspruch gegen den Steuerbescheid
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit lege ich gegen den Steuerbescheid vom [DATUM] über [STEUERART] Einspruch ein.
Den Einspruch begründe ich mit der Höhe der Nachzahlungszinsen. Ein Zinssatz von 0,5 Prozent für jeden Monat ist angesichts der aktuellen Niedrigzinsphase aus meiner Sicht unangemessen. Auch der Bundesfinanzhof hat an der Zinshöhe des § 238 Absatz 1 Satz 1 AO schwerwiegende verfassungsrechtliche Zweifel geäußert. Dem Bundesverfassungsgericht liegen zwei Verfassungsbeschwerden zu dieser Frage vor (1 BvR 2422/17 und 1 BvR 2237/14).
Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts beantrage ich die Aussetzung der Vollziehung der festgesetzten Nachzahlungszinsen und die Verfahrensruhe des Einspruchs. In diesem Zusammenhang verweise ich auf das BMF-Schreiben vom 14. Dezember 2018 („Aussetzung der Vollziehung wegen ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Verzinsung nach § 233 AO in Verbindung mit § 238 Absatz 1 Satz 1 AO für Verzinsungszeiträume ab dem 1. April 2012“).
Bitte beachten Sie:
Der Formulierungsvorschlag dient nur der Illustration. Die Details Ihres Einspruchs klären Sie am besten mit Ihrem Steuerberater.
Mit dem Einspruch und dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung sind keine Kosten oder andere Risiken verbunden. Während der Aussetzung ist nicht nur der Vollzug der Zinsforderung unterbrochen: Der Zeitraum der Verzinsung verlängert sich auch dann nicht, wenn das Verfassungsgericht zuungunsten der Steuerzahler urteilt!