Mindestlohn und Kündigungsschutz für Solo-Selbständige? Studie

Die Bundesregierung hat sich im Vorjahr darauf geeinigt, eine obligatorische Altersvorsorge für Selbstständige einzuführen. Die Eckpfeiler wurden bereits im Koalitionsvertrag verankert (wir berichteten). Im Mittelpunkt der Debatte um die konkrete Ausgestaltung einer möglichen Rentenversicherungspflicht steht die Frage, ob Selbstständige bislang bereits in ausreichendem Umfang freiwillig vorsorgen.
Manche Sozialpolitiker warnen gar vor der Gefahr einer massenhaften Altersarmut unter Freiberuflern und Kleingewerbetreibenden. Dabei haben sie verschiedene Formen prekärer Selbstständigkeit im Auge:
- In einigen Branchen (etwa im Bau- und Transportgewerbe oder in Schlachthäusern) werden vermeintliche Sub-Unternehmer traditionell so schlecht bezahlt, dass sie und ihre Familien gerade so über die Runden kommen. Wenn die Betroffenen nicht fürs Alter vorsorgen (können), ist das kein Wunder.
- Auch im wachsenden IT-Bereich der Crowdworker und ähnlicher Plattform-Beschäftigten sehen manche Politiker die Wurzel eines neuen Prekariats.

Ob diese Befürchtung gerechtfertigt ist, sei dahingestellt: Die Mehrzahl der heutigen IT-Selbstständigen gehört jedenfalls nach wie vor zu den Besserverdienern. Das geht aus mehreren aktuellen Umfragen hervor – darunter der Selbstständigen Report 2018 oder auch die Allensbach-Untersuchung zur Einkommenssituation und Altersvorsorge von IT-Freelancern.
Ganz gleich, um welche Branche es sich handelt: Unterbezahlten (Schein-)Selbstständigen ist mit einer gesetzlichen Rentenversicherungspflicht wenig geholfen. Hier stellt sich zuallererst die Frage nach einer angemessenen und fairen Bezahlung. Wenn die aufgrund eines Machtgefälles zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern nicht zustande kommt, muss über weitergehende Maßnahmen zur Sicherung angemessener Bezahlung nachgedacht werden.
Genau damit beschäftigt sich der vom Bundesarbeitsministerium in Auftrag gegebene rund 100-seitige Forschungsbericht zur „Sicherung einer fairen Vergütung und eines angemessenen sozialen Schutzes von (Solo-) Selbständigen, Crowdworkern und anderen Plattformbeschäftigten“. Im Mittelpunkt der Studie stehen Möglichkeiten der Sicherung angemessener Vergütungen für selbständige Leistungserbringer. Die Autoren prüfen unter anderem ...
- das Einbeziehen von (Solo-)Selbständigen in das Heimarbeitsgesetz,
- die Ausweitung des Begriffs der arbeitnehmerähnlichen Person,
- das Verbot sittenwidrig geringer Vergütungen,
- staatlich festgelegte Mindestvergütungen für Selbständige (analog zum Mindestlohn für Arbeitnehmer),
- das Aushandeln verbindlicher Vergütungsregeln durch Interessenvertretungen der Auftraggeber und Auftragnehmer (analog zu Tarifverhandlungen),
- die Stärkung kollektiver Selbsthilfe (innerhalb und außerhalb von Gewerkschaften) oder auch
- flankierende Schutzvorschriften (wie eine Art Kündigungsschutz für bestimmte Selbstständige oder eine Kontrolle der Auftraggeber-AGB).
Den Stein des Weisen haben die Autoren nach Prüfung der Ansatzpunkte nicht entdeckt: Viele Überlegungen stoßen schnell an Grenzen der allgemeinen Vertragsfreiheit oder einzelner Vorschriften des deutschen und europäischen Rechts.
Die größten Erfolgsaussichten bietet letztlich die Stärkung der kollektiven Selbsthilfe: Wer allein zu schwach ist, um seine berechtigten Interessen durchzusetzen, muss sich Mitstreiter suchen. Ob die in den Selbstständigen-Fachgruppen der altehrwürdigen Gewerkschaften zu finden sind oder selbstorganisierter Druck erfolgreicher über soziale Medien zu realisieren ist, kommt auf die Branche und die Initiative der Betroffenen an.
Sehr klar sind die Autoren der Studie aber darin, dass die Crowdworker nicht das Hauptproblem darstellen. Prekäre Beschäftigungsformen finden sich „vor allem auch außerhalb moderner Technologien und der Plattformökonomie“. Wenn der Gesetzgeber ein Schutzrecht für Selbständige schaffen wolle, dann sollte das auf alle sozial schutzbedürftigen Leistungserbringer zugeschnitten sein.