Staatlicher „Kontenabruf“ bei Geldinstituten Big Brother reloaded

Seit über 15 Jahren ist jedes Geldinstitut hierzulande verpflichtet, eine separate Datei mit Informationen über ihre Kunden und deren Konto-Stammdaten zu führen – und laufend zu aktualisieren. Auf diese Dateien dürfen die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) in einem automatisierten Verfahren zugreifen, ohne dass das betreffende Geldinstitut oder dessen Kunden über den Datenabruf vorab oder im Nachhinein unterrichtet werden müssen.

Die begünstigten Behörden nutzen diese Möglichkeit ausgiebig: Während das Kontenabrufverfahren anfangs „nur“ rund 40.000 mal pro Jahr in Anspruch genommen wurde, haben Datenschützer zuletzt über 300.000 automatisierte Datenabfragen pro Jahr beklagt. Tendenz: sprunghaft steigend! Den Datenschutz-Beauftragten geben sowohl die rasant steigende Anzahl der Anfragen als auch der wachsende Kreis der Abrufberechtigten Anlass zur Sorge.

Vom Ausnahme- zum Regelfall?
Rechtsgrundlage des sogenannten Kontenabrufverfahrens ist § 24c Kreditwesengesetz (KWG). Kontostände oder gar einzelne Kontobewegungen werden im Rahmen des Kontenabrufverfahrens zwar nicht übermittelt. Doch auch mithilfe der Kunden- und Konto-Stammdaten können BaFin und BZSt blitzschnell feststellen, mit welchen Instituten eine bestimmte Person oder ein bestimmtes Unternehmen Geschäftsbeziehungen unterhält.

Standardmäßig werden dabei die folgenden Daten übermittelt:

  • Name und Geburtsdatum des Bankkunden und der Verfügungsberechtigten,
  • Anzahl der geführten Konten und die dazugehörigen Kontonummern sowie
  • Tag der Kontoeinrichtung und ggf. der Tag der Auflösung.


Ursprünglich sollte das Kontenabrufverfahren der Aufklärung von Geldwäsche- und Terrorismus-Straftaten durch das BaFin dienen. Mittlerweile darf neben dem BaFin jedoch auch das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) die Daten von Privat- und Geschäftsleuten nutzen.

Mehr noch: Mit einem einfachen Amtshilfe-„Ersuchen“ an das BZSt können sich viele weitere Behörden den „Automatisierten Abruf von Kontoinformationen“ zunutze machen. Ein konkreter Tatverdacht ist dafür nicht erforderlich: In den meisten Fällen genügt es, wenn die abfragende Stelle ihr Informationsbedürfnis plausibel machen kann – und selbst diese Prüfung findet nach Erfahrungen von Datenschützern oft nicht statt.

Immer mehr Abrufberechtigte
Auf diese Weise informieren sich …

  • Finanzämter,
  • Arbeitsagenturen und Jobcenter,
  • Jugend- und Sozialämter,
  • Wohngeldstellen oder auch
  • Studentenwerke


… über die Finanzanlagen ihrer „Kunden“. Seit ein paar Jahren dürfen selbst Gerichtsvollzieher das Kontenabrufverfahren nutzen. Möglich wurde das durch Änderungen der Abgabenordnung (AO) – insbesondere § 93 Abs. 7 und 8 AO und § 93b AO.

Gläserne Steuerbürger
Der steuerliche Gesetzeskontext (Abgabenordnung) macht deutlich, dass die Steuer(neu)gier der Finanzbehörden Dreh- und Angelpunkt der Kontenabrufe ist. Zumal die dort erhobenen Daten die Inhalte der ebenfalls ständig ausgeweiteten Pflichtmeldungen anderer Behörden und Unternehmen an die Finanzämter ergänzen.

So sind zum Beispiel …

  • Kranken- und Rentenversicherungen,
  • Banken und Sparkassen,
  • Arbeitgeber,
  • Arbeitsagenturen oder auch
  • Standesämter, Gerichte und Notare


… verpflichtet, regelmäßig Meldungen über Beitragszahlungen, Gehälter, Zinserträge und ähnliche Einkünfte, Sozialleistungen, Immobilienverkäufe und Grundstücksverkäufe sowie andere steuerlich relevante Vorgänge zu machen.

Bis zum gläsernen Bürger und Unternehmen ist es da nicht mehr weit. Wenig überraschend, dass die Bundesdatenschutz-Beauftragten schon seit Jahren vor einer weiteren unkontrollierten Ausweitung automatisierter Datenerhebungen durch staatliche Stellen warnen. Eine individuelle Handhabe gegen die Neugier staatlicher Stellen gibt es nicht. Dass ein legaler Informationsaustausch in großem Maßstabe stattfindet, sollte Unternehmen und Privatleuten aber zumindest bewusst sein.

Lektüretipp: Detaillierte Informationen zum Thema Kontenabrufverfahren und eine dazugehörige FAQ-Sammlung bietet die BZSt-Website.