Koalitionsvertrag aus Sicht von Selbstständigen Ein Ausblick
Die Rentenversicherungspflicht für Selbstständige kommt – darauf hat sich die Große Koalition verständigt. Unter der Überschrift „Groko-Einigung zur Altersvorsorge“ haben wir darüber bereits berichtet. Im Koalitionsvertrag finden sich daneben weitere wichtige Vorhaben rund um die soziale Sicherung und Besteuerung von Selbstständigen. Aus Sicht der Betroffenen besonders bedeutsam ist die Senkung des Mindestbeitrags in der freiwilligen gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. O-Ton Koalitionsvertrag:
„Um kleine Selbstständige zu entlasten, werden wir die Bemessungsgrundlage für die Mindestkrankenversicherungsbeiträge von heute 2283,75 Euro auf 1150 Euro nahezu halbieren.“ (S. 100, Tz. 4699ff)
Im aktuellen Referentenentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium sind diese Vorgaben bereits eingeflossen. Demnach soll der Monatsbeitrag freiwillig Versicherter auf rund 200 Euro sinken (= ca. 18% Gesamtbeitrag in der Kranken- und Pflegeversicherung auf die neue Mindestbemessungsgrundlage von 1.142 Euro). Sollte die Neuregelung wie geplant am 1.1.2019 in Kraft treten, zahlen geringverdienende Selbstständige also tatsächlich nur noch halb so viel Beiträge wie bisher.
So erfreulich das Vorhaben ist: Gegenüber geringverdienenden Angestellten blieben Selbstständige damit weiterhin klar im Nachteil. Denn Arbeitnehmer zahlen nur gut 80 Euro Mindestbeitrag, wovon der Arbeitgeber obendrein die Hälfte übernimmt. Außerdem werden bei ihnen Einkünfte aus Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung sowie Unterhaltszahlungen nicht als Einkommen berücksichtigt.
Bitte beachten Sie:Wie berichtet, bekommen freiwillig versicherte Mitglieder in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung bereits ab 2018 vorläufige Beitragsbescheide. Erst wenn der Steuerbescheid für das jeweilige Kalenderjahr vorliegt und damit die tatsächlich erzielten beitragspflichtigen Einkünfte feststehen, verschickt die Krankenkasse den endgültigen Beitragsbescheid! Anders als bisher müssen Sie daher mit Nachzahlungen rechnen, wenn Ihre beitragspflichtigen Einkünfte gestiegen sind. Sind die Geschäfte schlechter gelaufen als im Vorjahr, kann es auch zu Beitrags-Rückzahlungen kommen. Untergrenze bleibt aber die jeweilige Mindestbemessungsgrundlage. Für das Jahr 2018 liegt die noch bei 2.284 Euro (Gründer: 1.523 Euro)!
Weitere Groko-Vorhaben
Neben den geplanten Änderungen in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung enthält der Koalitionsvertrag einige weitere Absichtserklärungen, die für Selbstständige wichtig werden könnten:
- Die gefürchtete Überprüfung der „Scheinselbstständigkeit“ soll vereinfacht und vereinheitlicht werden:
„Das Statusfeststellungsverfahren für Selbstständige wollen wir vereinfachen und zwischen den unterschiedlichen Zweigen der Sozialversicherung widerspruchsfrei ausgestalten.“ (S. 41, Tz. 1805) - Die vor einigen Jahren eingeführte Pflicht zur monatlichen Umsatzsteuer-Voranmeldung für Gründer soll entfallen:
„In den ersten beiden Jahren nach Gründung werden wir die Unternehmen von der monatlichen Voranmeldung der Umsatzsteuer befreien.“ (S. 61, Tz. 2788) - Familie und Unternehmensgründung sollen in Zukunft besser vereinbar sein:
„Um Gründungen aus der Beschäftigung zu erleichtern, prüfen wir die Einführung einer Gründerzeit ähnlich der Familienpflegezeit. Eltern in der unternehmerischen Gründungsphase wollen wir unterstützen, z. B. mit der Möglichkeit der Inanspruchnahme von Zuschüssen für haushaltsnahe Dienstleistungen. Wir wollen, dass mehr Frauen Gründerinnen werden und entwickeln dafür Unterstützungsinstrumente.“ (S. 41, Tz. 1819ff) - Darüber hinaus soll die „Gründungskultur in Deutschland“ in vielen anderen Bereichen weiter gefördert werden (u.a. mehr Transparenz in der Förderlandschaft, mehr Social Entrepreneurship, Investitionsbereitschaft in Wachstumsunternehmen fördern etc.)
- Die Leistungen von Selbstständigen, Familienunternehmen, Freien Berufen und Handwerkern will die Regierung ...
„... künftig noch stärker öffentlich anerkennen und fördern (...) die Rahmenbedingungen für kleine und mittlere Unternehmen so (...) gestalten, dass ihre Entwicklungs- und Wettbewerbsfähigkeit gestärkt und Unternehmensgründungen ermöglicht werden. Dazu wollen wir beispielsweise die Exportfinanzierung bei kleinen Kreditsummen (Small Tickets) unbürokratischer und passgenauer gestalten. Wir wollen mittelständische Unternehmen fördern und durch stärkere Vernetzung Innovationen in diesem Bereich unterstützen." (S. 60, Tz. 2735 ff)
Schauen wir mal, was daraus wird: Wir halten Sie auf dem Laufenden.