Insolvenz-Pause bis September? Corona-News

Die Pflicht, bei Eintritt einer Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit innerhalb einer Drei-Wochen-Frist Insolvenzantrag zu stellen, ist zurzeit in vielen Fällen ausgesetzt. Die Ausnahmeregelung bedeutet aber keineswegs, dass das Thema Insolvenz für kriselnde Unternehmen nun komplett vom Tisch wäre!
Die befristete Sonderregelung zum Insolvenzrecht gilt bereits seit März. Grund der Maßnahme: Die Corona-Krise bedroht das Überleben vieler Unternehmen, die ohne die Pandemie keine Existenzsorgen hätten. Die Politik will den betroffenen Betrieben Zeit geben, von Hilfsmaßnahmen zu profitieren.
Grundlage der Ausnahmeregelung ist das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“, das die Insolvenzantragspflicht für die Zeit vom 1. März 2020 bis vorerst 30. September 2020 aussetzt. Und zwar unter folgenden Bedingungen:
1. Das Unternehmen ist infolge der Covid-19-Epidemie insolvenzreif geworden. Davon wird ausgegangen, wenn die Unternehmenskrise nicht schon vor der Pandemie bestanden hat. Genauer gesagt: Wenn das Unternehmen nicht bereits zum 31.12.2019 zahlungsunfähig gewesen ist, wird die Pandemie als Krisenursache vermutet.
2. Es gibt realistische Aussichten auf eine Überwindung der Zahlungsunfähigkeit.
Besonders die zweite Bedingung kann in der Praxis für Komplikationen sorgen.
Die Strafrechts- und Haftungsfalle
Das Problem: Ist das Unternehmen überschuldet oder zahlungsunfähig, und greift eine der beiden genannten Voraussetzungen nicht, dann muss weiterhin innerhalb von drei Wochen ein Insolvenzantrag gestellt werden!
Diese Drei-Wochen-Frist gilt nicht für alle Selbstständigen und Unternehmer. Sie trifft die sogenannten „Organe“ einer Kapitalgesellschaft: Den oder die Geschäftsführer einer GmbH oder haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaft (UG) sowie die Vorstände einer AG, übrigens auch die Vorstände einer Genossenschaft oder eines eingetragenen Vereins.
Für sie alle hat ein Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht böse Folgen:
- Hätte ein Insolvenzantrag gestellt werden müssen, ist das Versäumnis eine Straftat! § 15a Insolvenzordnung sieht eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vor.
- Verurteilte haften auch zivilrechtlich. Der Insolvenzverwalter kann dann vom Geschäftsführer persönlich Schadenersatz fordern. Das betrifft grundsätzlich alle Zahlungen und Verbindlichkeiten der Gesellschaft seit Verstreichen der Insolvenzantragspflicht. Durch solche Schadenersatz-Zahlungen ist oft die gesamte private Existenz bedroht.
Beispiel: GmbH in der Krise
Das folgende Szenario ist keineswegs unrealistisch: Eine UG steckt aufgrund der Pandemiefolgen tief in den roten Zahlen. Die Geschäftsführerin verlässt sich jedoch auf die Sonderregelung und verzichtet auf den Insolvenzantrag. Zum Herbst hin verbessert sich die Perspektive langsam wieder.
Trotzdem kommt es im Frühjahr 2021 zur Zahlungsunfähigkeit. Ein Insolvenzverfahren ist nun doch unvermeidlich. Schlimmer noch: Ein vom Insolvenzverwalter beauftragter Gutachter findet, das Schicksal der Gesellschaft sei bereits im Sommer 2020 besiegelt gewesen. Außerdem habe die Firmenkrise sich unabhängig von der Pandemie ergeben.
Will die Geschäftsführerin jetzt noch ihre Haftung und ein Strafverfahren vermeiden, muss sie beweisen können, dass die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht in ihrem Fall tatsächlich galt.
Dokumentieren, dokumentieren, dokumentieren
Im beschriebenen Fall müssen verschiedene Sachverhalte durch Zahlen und Dokumente belegbar sein. Davon hängt die persönliche Zukunft der Verantwortlichen ab:
- Die Gründe für die Schieflage sind nachweislich auf die Corona-Wirtschaftskrise zurückzuführen. Bis Ende 2019 war das Unternehmen gesund – und zwar in Bezug auf Umsatz, Ertragsentwicklung und Cash-Flow.
- Die Verantwortlichen haben alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um die Liquidität zu verbessern, Finanzierungen zu bekommen, den Absatz wieder anzukurbeln usw. Die Verhandlungen mit Banken, Gläubigern, Fördermittel-Gebern und dem Finanzamt sind dokumentiert.
- Es gab einen komplett ausgearbeiteten Sanierungsplan, der einen realistischen Weg zurück in die schwarzen Zahlen absteckte.
Doch selbst mit der nötigen Dokumentation ist die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht kein Freischein.
Erleichterung, aber kein Freischein!
Falls Sanierungsanstrengungen und Finanzierungsverhandlungen scheitern, muss der Insolvenzantrag gestellt werden – und zwar bereits vor Ende September! Wenn die befristete Sonderregelung ausgelaufen ist, gilt die Insolvenzantragspflicht ohnehin wieder. Nach derzeitigem Stand ist das der 1. Oktober 2020. Allerdings könnte die Bundesjustizministerin diesen Stichtag per Verordnung noch bis zum 31. März 2021 hinausschieben.
Bitte beachten Sie: Wo Insolvenzrecht und GmbH-Recht sich überschneiden, ist das Gelände vermint. Das mussten schon viele GmbH-Geschäftsführer am eigenen Leib erfahren. Deshalb holen Sie sich am besten kompetenten rechtlichen Rat, wenn Ihr Unternehmen in schweres Fahrwasser gerät. Und informieren Sie sich bei der Gelegenheit unbedingt über Ihre persönlichen Pflichten und Risiken im konkreten Einzelfall!
Zum Weiterlesen
- Die generelle Insolvenzantragspflicht ist in § 15a Insolvenzordnung geregelt.
- Informationen zur bedingten und befristeten Aussetzung der Insolvenzantragspflicht während der Corona-Krise bietet eine FAQ-Sammlung des Bundesjustizministeriums. Dort ist auch das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ verlinkt (PDF, 54KB).
- Warum die Positionsbezeichnung „Geschäftsführer“ unter anderem mit Blick auf das Insolvenzrecht riskant ist, können Sie im orgaMAX-Newsletterarchiv nachlesen.